Eingeschliffene Karabiner – Gefahr von Seilriss

Sie gehören zu den „stillen“ aber umso potenteren Gefahrenquellen im Klettersport: eingeschliffene Karabiner, an welchen es zum Riss von Kletterseilen kommen kann!

Vor allem die steigende Anzahl „fixer Expressen“ in vielen Klettergärten führt zu einem rasanten Anstieg der potentiellen Abstürze. Alleine in den Gebieten vor unserer Haustüre in Tirol (Götterwandl, Silz Guanacho, Schleierwasserfall, Zillertal,…) konnten wir unzählige gefährliche Exemplare dokumentieren.

Grund genug, über das Thema weiter aufzuklären und einen wichtigen Beitrag für mehr Sicherheit zu leisten.

Insbesonders wollen wir vorweg nehmen, das seilseitige Karabiner in fix angebrachten Expressschlingen eine tödliche Gefahrenquelle sein können. Hier ist äußerste Vorsicht geboten!

Das Bild zeigt eine fixe Expressschlinge im Klettergarten mit einem eingeschliffenen Karabiner mit extrem scharfer Metallkante.
Eine fixe Expresschlinge im Klettergebiet „Guanacho“ bei Silz in Tirol. Diese 1. Express weist einen der hier beschriebenen, gefährlichen eingeschliffenen Karabiner auf. Foto: bolting.eu

Historie an schweren und tödlichen Unfällen

Bis ca. 2008 schenkte man eingerissenen Seilmänteln an eingeschliffenen Kletterkarabinern wenig Beachtung. Sie waren lediglich „part of the game“ und somit wurden auch die möglichen Ursachen nicht weiter untersucht.

Dann passierten jedoch die ersten Unfälle. Und sie geschahen dort, wo man sie am wenigsten vermuten würde. Nämlich in den Kletterhallen!

Der erste schwere Unfall der dokumentiert wurde, ereignete sich in einer Kletterhalle in Prag. Dort stürzte ein Vorsteiger knapp oberhalb der 1. Expressschlinge, worauf das Seil komplett durch riss. Schwere Verletzungen waren die Folge.

2010 ereignete sich dann ein ganz ähnlicher Unfall mit ebenfalls schwerer Verletzungsfolge. Diesmal jedoch draußen. Nämlich in der Red River Gorge in den U.S.A. Hierbei stürzte der Kletterer ebenfalls in eine fix belassene 1. Express.

Trauriger und tragischer Höhepunkt war dann ein tödlicher Absturz 2012 in Magletsch in der Schweiz. Dort stürzte ein Local aus 25m nach einem Seilriss auf den Boden und war auf der Stelle tot.

In der Folge begann eine lehrreiche Ursachenforschung, welche bald einen Schuldigen ausmachen konnte.

Eingeschliffene Karabiner!

Im Zuge der Untersuchungen konnte bald festgestellt werden, dass der seilseitige Schnappkarabiner bei fixen Expressen der kritische Faktor ist. Denn diese können den Karabiner, wenn er z.B. beim Ablassen unter Spannung steht, so abnutzen, dass eine extrem scharfe Kante entstehen kann.

Man spricht auch von sogenannten „Einschleifungs- Kerben“.

Folgender Mechanismus kommt zum Tragen:

  • das Kletterseil läuft nicht um den Scheitel des Karabiners „herum“, also ca. ganze 270° um den Querschnitt, sondern nur von der Seite kommend über den „inneren“ Bereich des Scheitels
  • die Express wird beim Ablassen „gespannt“ und somit drückt das Seil „innen“ gegen den Scheitel
  • im Laufe der Zeit entsteht im Scheitel eine Kerbe, welche seitlich zu extrem scharfen Kanten führen kann
  • bei einem Sturz kann an dieser messerscharfen Kante das Seil komplett durchgetrennt werden
Das Bild zeigt vier Expressschlingen mit extrem gefährlichem Abrieb bzw. Metallkante.
Vier extreme Beispiele vom Schleierwasserfall in Tirol. Die Schlingen waren fix eingehängt und weisen alle die extrem gefährlichen, scharfen Metallkanten auf. Foto: Peter Plattner

Potentielle Gefahrenstellen

Wir können also festhalten. Eingeschliffene Karabiner entstehen nicht automatisch.

Problematisch sind erstens alle fix belassene Expressschlingen bzw. Karabiner, welche beim Ablassen unter Spannung stehen. Das ist vor allem bei überhängenden Routen der Fall.

Zweitens sind es in Kletterhallen immer die erste oder manchmal sogar auch noch die zweite Expressschlinge.

In Klettergärten sind es vor allem immer die ersten fixen Expressen, welche von dieser Form des gefährlichen Abriebs betroffen sind.

An der entstehenden scharfen Metallkante besteht die akute Gefahr eines Seilrisses!

Das Bild zeigt den Abrieb an einem seilseitigen Karabiner in einer Expressschlinge beim Seil Ablassen.
So kommt es zu den extrem gefährlichen, scharfen Metallkanten an den seilseitigen Karabinern bei fixen Expressen. Das Seil läuft seitlich ein und reibt parallel zum inneren Scheitel das Metall ab. Foto: Peter Plattner

Gefahr ist immer akut!

Wie akut die Gefahr eines Seilrisses ist, zeigt ein Vorkommnis von Ende Juli 2022 am Götterwandl in Tirol.

An dieser sehr steilen Wand hängen sehr viele Fixschlingen bei zeitgleich hoher Frequenz an Besuchern. Folglich gibt es hier leider das beschriebene Phänomen der eingeschliffenen Karabiner. Bei einem „Mini Sturz“ eines Kletterers in einer der Routen ist es dann passiert. „Schnapp!“, und der Seilmantel war komplett durchtrennt sowie zwei von 12 Litzen des Kernes.

Das Bild dieses „Fast Seilrisses“ muss uns allen eine eindringliche Warnung sein, wie schnell es zu einem schweren Unfall kommen kann.

Das Bild zeigt ein eingerissenes Kletterseil an einen eingeschliffenem Karabiner an einer gräulichen Felswand.
Ein kleiner Sturz war schon ausreichend den gesamten Mantel und zwei Litzen zu durchtrennen. Bild: Nadine Wallner

Im Falle des Götterwandl führte der Vorfall dazu, dass der Klettergartenhalter alle fixen Expressen zu Recht entfernt hat, weil offensichtlich „Gefahr in Verzug“ war.

Lösungen gegen eingeschliffene Karabiner

Um der Gefahr eines Seilrisses an den scharfen Kanten von Karabinern entgegen zu wirken, kann Folgendes unternommen werden.

  • alle fixen Expressen mit Abrieb resistenten Stahlkarabinern ausstatten
  • die erste Express mit einem Stahlkarabiner ausstatten und alle weiteren Expressen so verlängern, dass sie beim Ablassen nicht gespannt werden
  • wer alte Alu Karabiner in seinen fixen Expressen verwendet, muss diese früh genug austauschen
  • beim Kletterrote einbohren bzw. Klettergarten Errichtung und Klettergarten Sanierung darauf achten, dass sich die Klebehaken bzw. Bohrhaken ganz genau in einer geraden Linie befinden (was zugegebener Maßen oft sehr schwierig ist)
  • besser seine eigenen Expressen verwenden!
DAs Bild zeigt den Petzl Djinn Steel Stahlkarabiner auf einer Express mit Kunststoff Protector und Schraubglied.
Die Lösung kann eine fixe Express mit einem Stahlkarabiner sein, wie z.B. hier die Petzl Steel Axess.

Gefahr von Seilriss auch bei neuen Kletterseilen

Die Gefahr eines Seilrisses bei eingeschliffenen Karabinern besteht auch bei einem ganz neuen Seil bzw. einem Kantenschutz genormten Seil. Zudem sind auch sehr dicke Seile wie z.B. 10,5mm Kletterseile ebenso von der Gefahr betroffen wie ganz dünne seile. Beispielsweise das 9.1 mm dünne Beal Joker.

Fazit. Ursächlich ist die extrem scharfe Metallkante bei den abgeriebenen Karabinern die Gefahrenquelle. Diese kann bei allen am Markt gängigen Seilen zu einem kompletten Riss bzw. eigentlich einem „Abschneiden“ führen, egal ob alt oder neu, dünn oder dick!

Passende Stahlkarabiner

Als DER Hardwareprofi findet ihr bei uns natürlich eine riesige Auswahl an passenden Stahlkarabinern für fixe Expressschlingen.

Achtet dabei auf die Stahlqualität. Wer z.B. Routen in stark überhängenden Gebieten permanent ausstattet, der sollte auf Edelstahl Modelle auswählen. Wer hingegen „nur“ fixe Expressen in sein Projekt hängen will, welches er nach 1-2 Monaten wieder abbaut, findet mit günstigeren verzinkten Stahlkarabinern das Auslangen.

Eingeschliffen ist nicht gleich eingeschliffen!

Beachtet! Ein eingeschliffener Karabiner in einer fix belassenen Express ist nicht das Selbe wie ein eingeschliffener Umlenkkarabiner an einem Kettenstand.

Während beim seilseitigen Schnapper an einer fixen Exe eine scharfe Kante entsteht, werden Umlenkkarabiner über ca. 270° des Querschnitts abgenutzt. D.h. hier entsteht eine an und für sich gefahrlose runde Einkerbung.

Diese beeinflusst zwar irgendwann einmal die Bruchlast des Karabiners, führt in der Regel aber zu keinem Seilriss.

Das Bild zeigt den Vergleich von verschiedenen Formen des Abriebs bei KArabinern, Runden Abrieb links und gefährliches Einschleifen rechts.
Die zwei Formen von Abrieb an Karabinern. Links der ungefährliche Abrieb an einem Umlenkkarabiner. Das Metall wird „rund“, über ca. 270° des Querschnitts abgerieben. Rechts die gefährliche „Einschlief-Kerbe“ mit der scharfen Metallkante. Foto: Peter Plattner

Konsequenzen für die Praxis

Fix installierte Expressen, besonders in überhängenden Routen, können eine tödliche Gefahr darstellen und extrem gefährlich sein.

In Anbetracht des mittlerweile doch bekannten Phänomens ist es doch extrem erstaunlich, dass in vielen Klettergebieten noch immer so viele eingeschliffene Karabiner zu finden sind. Viel erstaunlicher ist aber noch, wie viele Kletterer diese bedenkenlos verwenden und sich der akuten Gefahr nicht bewusst sind!

Gerhard Schaar – Inhaber bolting.eu, Sportkletterlehrer und Kletter Infrastruktur Profi

Deshalb müssen vor allem jene Kletterer aufpassen, welche diese Gefahr nicht am Radar haben. Wie z.B. jene die aus der Halle kommen und draußen ihre ersten Schritte machen.

Wir appellieren an alle Erschließer und engagierten Kletterer, in ihren Heimgebieten gefährliche Karabiner zu entfernen. Besser keine fixe Express als eine gefährliche Express.

Und am Ende des Tages sollte man einfach überall dort seine eigene Exen verwenden, wo man Bedenken hinsichtlich scharfer Kanten an den Karabinern hat.

FAQ´s

Wieso sind eingeschliffene Karabiner eigentlich so gefährlich?

Die seilseitigen (Alu)Karabiner in fix belassenen Expressschlingen sind beim Ablassen einem ständigen Abrieb parallel zum inneren Karabinerscheitel ausgesetzt. D.h. hier können extrem scharfe Metallkanten entstehen. Bei einem Sturz über eine solche Kante kann es zu einem Seilriss kommen!

Wo kann es zu dieser Gefahr und einem Seilriss kommen?

Betroffen sind in Klettergärten vor allem die erste Expressschlinge. In Überhängenden Routen betrifft es alle Expressen die beim Ablassen „gespannt“ werden.

Wie kann ich diese Gefahr vermeiden oder beseitigen?

Am besten alle gefährlichen Karabiner entfernen. Wer dennoch permanente Expressen haben will, sollte solche mit Stahlkarabinern am seilseitigen Ende ausstatten.

Referenzen

Für diesen Artikel haben wir Inhalte einer Pressemeldung des ÖAV verwendet. Einige Bilder haben wir freundlicher Weise von Peter Plattner zur honorarfreien Ablichtung erhalten.

Im DAV Panorama 5 / 2013 gibt es einen sehr ausführlichen Bericht über die gesamte Thematik!