Einbohr Fails #2
In unserem zweiten Beitrag zur Einbohr Fails Serie möchten wir heute speziell das Thema Klebehaken behandeln.
Die folgenden Beispiele sollen darauf hinweisen, was bei der Installation alles schief gehen kann. Dabei wollen wir analysierend und erklärend vorgehen.
Wir tun das mit dem Selbstverständnis, die interessierte Erschließer Community zu unterstützen, um gemeinsam das Klettern sicherer zu machen.
Durch die Ablichtung der Wirklichkeit draußen an den Felsen, wollen wir hier lehrreiche Beispiele besprechen. Sie sollen euch einerseits helfen unsere Fachbeiträge im Einbohr Blog besser zu verstehen. Und zum anderen wollen wir ein Bewusstsein für leistungsrelevante Kriterien schaffen. Damit ihr alle euer Können weiter verbessert könnt.
Horror Szenario – Klebehaken mit der Hand raus ziehen
Unser erstes Bild zeigt ein Bild von Heiko Queitsch. Er ist ein immens fleißiger Sanierer im Frankenjura und schreibt bolting.eu:
„Den Haken habe ich selbst mit einem „großen Schraubkarabiner“ (vorher Drehtest) aus der Wand gezogen! Grund des Drehtestes war das der Kleber teils ab bröselte bzw. Risse aufwies!
Der Klebehaken mit Ring stammt aus der Route „“Talseite“ 5+ im Sektor Signalsteil / Sorgenkind im Frankenjura.
Ein Klebehaken, der per Hand und nur mit einem Schraubkarabiner als Hebel herausgezogen werden kann, bedarf keiner weiteren Erklärung. Das kann tödlich enden!
Facts:
- Klebehaken lies sich per Hand mit Karabiner entfernen
- Formschluss Haken – Injektionsmörtel o.k.
- Verbund zwischen Mörtel und Bohrlochwand offensichtlich nicht gegeben
- beste Erklärung: das Bohrloch wurde gar nicht bzw. zu wenig gereinigt
- von außen – rein optisch – nicht zu beurteilen
- solche in Fehler ist nur durch „Hebeltest“ festzustellen
U Klebehaken ohne Einkerbung / Riffelung an Schäften
Unser zweitens Beispiel eines extrem gefährlichen Einbohr Fails, sind selbstgemachte U-Bügel.
Uns hat Christoph Sauer aus dem Steinbruch am Steigknückel bei Bessenbach im Rhein-Main Gebiet dieses Bild zukommen lassen. Hier wurden diese selbst gebogenen, 6mm Edelstahldrähte verbaut. Allerdings hatten die eingeklebten Schäfte KEINERLEI Kerben.
Dadurch gibt es natürlich nur einen sehr schlechten Formschluss zwischen Kleber und Stahloberfläche. In Österreich ist mit solchen – kerbenlosen Klebehaken – a.k.a „Sigi Bolts“, leider ein tödlicher Unfall dokumentiert.
Facts:
- U – Klebehaken aus 6mm Stahldraht
- Schäfte haben keinerlei Kerben!
- kein ordentlicher Formschluss zwischen Stahldraht und Kleber möglich
- extrem gefährlicher Selbstbau!!!
- tödlicher Unfall mit Klebehaken ohne Kerben im Schaft „Sigi Bolts“ dokumentiert
- wurde Gott sei Dank bei Sanierung entfernt!
Ohne Worte…
Dieses wirklich eindrückliche Bild stammt von Pascal Preimesberger aus dem Salzkammergut. Er hat diesen unglaublich schlampig gesetzten Klebehaken in der Route „Atemlos“ an der „Ewigen Wand“ dokumentiert.
Was soll man hier noch sagen? Nun, als erstes einmal wertschätzend dem Erschließer gegenüber ein Danke für die Arbeit, die Route einzubohren. Zweitens dann aber klarer Weise die Anmerkung. Schade, dass du hier nicht sauber gearbeitet hast.
Was ist dir denn hier passiert? Wir hoffen, du hast für dich bei diesem Fixpunkt Erfahrung sammeln können, um solche gefährlichen Installationen zu vermeiden. Cooler Move wäre gewesen, den Haken inzwischen zu sanieren!
Für andere Erschließer wollen wir das mal im Folgenden interpretieren.
Facts:
- Klebehaken mit unglaublich viel Ausstand und dazu auch extrem verbogen
- ist als sehr gefährlich einzuschätzen --> geringe EInbindetiefe, wohl schon mit Felshammer bearbeitet, ev. wird hier sogar rein gestürzt
- dieser Haken ist ein absoluter Kandidat für einen „Ermüdungsbruch“ --> wenn Stahldraht oft gebogen wird, wie z.B. alleine durch Belastung Körpergewicht
- Hypothese 1: dem Erschließer ist ein Fehler unterlaufen, das Bohrloch war zu wenig tief (immer vorher Haken einschieben und testen!)
- Hypothese 2: es wurde wieder mal mit Glasmörtelpatrone gearbeitet die furchtbar schnell aushärten können -->
Lösung a): Glasmörtelpatronen zu kühlen
Lösung b) Bohrloch nach der Reinigung mit etwas Wasser ausgießen um das Aufsaugen der flüssigen Klebekomponente zu verhindern --> Klebergemisch bleibt flüssiger
Ohne Worte 2.0
Auch dieses Bild spricht für sich. Danke an Marvin Kärle von Lechtal Alpin für dieses extrem coole Paradebeispiel für absolute Anfänger, die Unglaubliches zustande bringen.
Es handelt sich hier um ein fixes Drahtseil an einem Gipfelgrat in der Hornbach Kette in den Allgäuer Alpen. Marvin schreibt uns: „Fixes Drahtseil an einem Gipfelgrat (von Einheimischen selbst gebastelt), Schlaghacken ausgebrochen, wurde ersetzt durch einen Klebehaken, vermutlich ohne Kleber, oder kein richtiger Kleber?“
Oh, boy!!! Dieses Bild ist gleich mehrfach wild! Erstens ist ja schon der ursprüngliche Haken ausgebrochen ist. Er wurde dann offensichtlich „saniert“ aber mit Klebehaken ohne Kleber. Zu allem Überfluss wurde dann das Seil mit einer kleinen Drahtschlaufe? dazu fixiert. Der Hammer aber: es scheint das Drahtseil hier auch noch eine Verbindung oder so etwas wie „Zwischensicherung“ zu haben, wo ein Klettersteigkarabiner bei einem Sturz nicht darüber rutschen soll.
Facts:
- absolut stümperhafte und Ausführung. Liebe verantwortliche Sektion, Bergwacht oder Tourmismusverband. Dies ist der Grund wieso man befähigter Personen oder Unternehmen wie unseres engagieren sollte!
Klebehaken mit Glasmörtelatrone einkleben 🙁
Unser dritter Einbohr Fail heute stammt aus Südtirol. Und zwar aus dem AVS Klettergarten Ratschings. Dort sind gleich viele Klebehaken in unterschiedlichen Routen nicht sauber angebracht.
Denn hier wurden Klebehaken mit 12mm Schaft in 14mm Bohrlöchern mit Glasmörtelpatronen eingeklebt. Wie in unserem Beiträgen „Klebehaken setzen“ sowie „Kletterroute mit Klebehaken einrichten“ ganz klar festgehalten, ist von dieser Verarbeitungsmethode klar abzuraten.
Wir empfehlen das unbedingt mit Injektionsmörtel zu machen!
Das vorliegende Bild erklärt sehr gut wieso…
Facts:
- der Klebehaken hat viel zu viel Ausstand --> Gefahr eines Ermüdungsbruches
- die felsseitige Hakenöse wurde nicht in einen Kanal eingeklebt --> hohe Kräfte auf den Schaft durch axiales Verdrehen
- die Klebermenge ist zu gering --> kein Mörtel um das Bohrloch
- 12mm Klebehaken im 14mm Bohrloch mit dem groben Sand der Glasmörtelpatronen --> extrem hoher Widerstand beim Einschlagen
- man erkennt die vielen harten Hammerschläge auf der Öse --> Passivierungsschichte wird verletzt, Haken beginnt dort bereits zu rosten
Horror Szenario – Kleber versagt in Meeresnähe!
Unser 4. Einbohr Fail von heute stammt aus Kroatien, aus dem Gebiet „Simije“ am Limski Kanal. Das ist ca. 500m über dem Meereskanal dort. Die Route heißt „List“ 6a.
Hierbei handelt es sich um einen lockeren Klebehaken in ca. 10m Höhe. Weil er verdächtig „schief“ und mit etwas „Ausstand“ im Fels steckte, habe ich selber den Drehtest mit einer Expressschlinge gemacht. KAum begann ich zu drehen, konnte ich einen total lockeren Haken feststellen.
Mit wenigen Handgriffen war er dann auch dem Bohrloch gezogen. Hier das Video!
Facts:
- hier stimmt ganz offensichtlich nicht etwas mit dem Kleber
- Hypothese 1: es handelt sich um einen Kleber, der nicht für die Meeresnähe geeignet ist. Er wurde leider einfach zersetzt.
- Hypothese 2: etwas mit dem Mischverhältnis des Klebers stimmte nicht. Wie z.B. kaputte Kammern der Kartusche, falsche Mischmenge bei manuellem „Anrühren“
- Hypothese 3: es wurde Kleber verwendet, der leider irgendwann zu heiß bzw. zu kalt bekommen hat. Wie z.B. beim Gefrieren im Winter.
Fazit! Nur Injektionsmörtel verwenden die auch für Meeresnähe geeignet sind. Wie unseren Fischer FIS AB 300 T oder FIS AB 360 S.
Verzinke Baugerüst Verbundanker
Der nächste Einbohr Fail ist aus Sardinien, aus dem Klettergebiet „Roccadoria Monteleone“ und der Route „Caos Calmo“ 7b+.
Hier wurden in den frühen 2000-er Jahren viele Routen eingerichtet. Allerdings nur mit verzinkten Baugerüst Verbundankern. Diese sind weder genormt noch sind sie von ihrer Korrosionsbeständigkeit her für´s Einbohren geeignet.
Besonders nicht, wenn das Meer nur 15km entfernt ist. Siehe hierzu unseren Beitrag „Einbohren in Meeresnähe„.
Wer nun meint „Das gibt es aber eh nur in Sardinien!“, mal nach Kochel fahren 😉 Leute!
Facts:
- sehr stark korrodierter Klebehaken
- nicht genormter Baugerüst Verbundanker
- Haltekraft extrem schwer zu beurteilen
- felsseitige Hakenöse nicht eingeklebt
- sollte dringend saniert werden
- unsere Empfehlung: nicht einsteigen!
Hakenöse zu weit eingeklebt
Das nächste Bild stammt ebenfalls aus Sardinien, aus den Canyon bei Cala Gonone. Hier wurde ein Klebehaken leider extrem schlecht verarbeitet.
Denn in diesem Fall wurde er zu weit in den Fels eingebunden, was den Platz in der Karabineröse extrem klein werden lies.
Facts:
- die felsseitige Karabineröse wurde zu tief versenkt --> der Platz in der Karabineröse wurde zu klein
- die Expressschlinge lies sich nur schwer in die Öse „quetschen“
- der Hakenseitige Karabiner verhakte sich gefährlich beim Weiterklettern --> Gefahr eines Karabinerbruches
Fazit! Beim Einkleben immer gleich prüfen, dass die Öse nicht zu weit eingeklebt wird und die Karabiner genug Platz haben.
Wo ist der Kleber hin?
Im folgenden Bild stammt von Carolina Giammei, aus der Route „Dachrinne“ an der Breiten Wand bei Baden. Man erkennt einen Klebehaken, welcher wieder (leider) einmal mit einer Glasmörtelpatrone eingeklebt wurde.
Was schön zu erkennen ist. Man sieht keinen Kleber, auch nicht im Bohrloch. Das wirft natürlich die Frage auf, wieviel Kleber den Schaft des Bohrhakens umschließt, wie hoch die Haltekraft ist.
Unsere Prognose wäre, dass diese Klebehaken leider eine stark verminderte Haltekraf hat!
Facts:
- eingeklebt mit Glasmörtelpatrone
- keine Kleberspuren am Rand sowie im Bohroch sichtbar!
- felsseitige Hakenöse nicht in Kanal verklebt
- Hypothese 1: es wurde ein viel zu kleine Glasmörtelpatrone verwendet (z.B. Fischer RM 8 oder Fischer RM 10 anstatt RM 12)
- Hypothese 2: der Fels ist stark porös und hat deswegen die dünnflüssige Kleber Komponente aufgesaugt --> es bildete sich zu wenig Kleber dessen Haltekraft zudem schlecht ist
- Hypothese 3: es gibt einen Hohlraum im Bohrloch --> Kleber hat es hier reingedrückt
Fazit. Ein wirklich extrem schlecht gesetzter Klebehaken, welcher den Standard Kräften einer EN 959 Norm (15kN axial, 25kN radial) nicht entsprechen dürfte!
Unsere Kurse und Workshops
Wenn ihr professionelle Kurse oder Workshops machen möchtet, um all solche Fehler zu vermeiden, dann seid ihr bei uns an der richtigen Adresse.
Denn wir haben jahrelange Erfahrung, das vielleicht beste Know-How im Alpenraum und unzählige Referenz Projekte vorzuweisen.
Wie z.B. Kurse für Bergführerverbände, namhafte Hersteller wie Petzl sowie für interessierte Kletterer.
In unserer Einbohr Academy bieten wir speziell designte bolting.eu Einbohr Kurse sowie Einbohr Workshops an. Wenn ihr Interesse habt, so schreibt uns doch einfach ein E-Mail.
Ihr könnt im Einbohr Blog auch selber viele Beiträge zum sicheren und technisch sauberen Einbohren durchlesen. Wir freuen uns, wenn wir gemeinsam mit Euch das Klettern bzw. die Kletterrouten sicherer machen können.
In unserem Einbohr Shop findet ihr dafür auch alle passenden Materialien. Wer unseren Shop mal ausprobieren will, bekommt als Neukunde einmalig einen Rabatt* von 10% mit diesem Rabattcode: BOLTING
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Bild rechts: Workshop für Petzl Deutschland / Bild Julian Bückers