Einbohren in Meeresnähe

Einbohren in Meeresnähe

Unser Leitartikel richtet sich an alle Erschließer die eine Kletterroute am Meer einbohren wollen. Besser gesagt müsste man „in Küstennähe“ sagen. Denn die Haupt-Gefahrenquelle „Spannungsrisskorrosion“ (engl. Stress Corrosion Cracking = SCC) erstreckt sich je nach Umweltfaktoren (z.B. Wind, Lage Felsen,…) bis weit ins Landesinnere. Beim Einbohren in Meeresnähe ist ein grundlegendes Verständnis dieses physisch-chemischen Vorgangs daher unerlässlich.

Wer sein Wissen also vertiefen will ist hier genau richtig.

Wer lediglich die zusammengefasste Erkenntnis wissen will hat Glück. Denn ein Satz reicht aus. Nur extrem hochwertige Materialien wie Duplex Stähle, HCR Stähle und Titanium garantieren sichere Kletterrouten in Meeresnähe!

Überdies behandeln wir das Thema Verbundkleber. Denn nur für Meeresnähe zugelassene Produkte dürfen verwendet werden. Aufgrund der chemischen Einflüsse können die falschen Kleber einfach „weggefressen“ werden!

Du willst mehr zum Thema Einbohren wissen? Dann lies dir unsere vertiefenden Beiträge zu folgenden Themen durch:

Das Bild zeigt ein einen Felsen über dem Meer bei Cala Gonone in Sardinien. Über dem blauen Meer steht ein weißer Fels mit überhängen, darüber Wald.
Bei Kletterzielen wie hier Cala Gonone in Sardinien sollte man über das Einbohren in Meeresnähe Bescheid wissen!

Spannungsrisskorrosion bei Bohrhaken und Klebehaken

Spannungsrisskorrosion ist vereinfacht erklärt die Rissbildung in Werkstoffen unter dem gleichzeitigen Einfluss von Spannung und einem Angriffsmittel.

Das sind einerseits die statischen Zugspannungen im Material selbst. Wie zum Beispiel bei Umlenkern oder Klebehaken aufgrund der Produktion. Und zum anderen sogenannte Zugschwellspannungen. Wie zum Beispiel durch das „Anziehen“ der Bohrhaken.

Angriffsmittel sind einfach chemische Stoffe. Beim Einbohren in Meeresnähe sind dies vor allem Chloride mit hoher Löslichkeit von Salzen wie Magnesium, Kalzium und Natrium.

Spannungsrisskorrosion ist von außen nicht sichtbar! Das ist das Trügerische und Gefährliche bei dieser Korrosionsart. Man bemerkt sie erst, wenn ein Fixpunkt bricht. Dies kann bereits unter einer Belastung weit unter dem Körpergewicht passieren!

Betroffen sind vor allem die Edelstahl Güteklassen wie A2 Stahl / AISI 304 aber auch A4 Stahl / AISI 316 (L). Kurzum: jene Stahlqualitäten von denen man bis dato angenommen hat sie wären ausreichend. Ein Trugbild!

Folglich betrifft es neben den Bohrhaken und Klebehaken auch alle anderen Hardwarekomponenten aus Edelstählen die bei Kletterrouten verbaut werden:

  • Umlenker / Kettenstände
  • Rapid Glieder
  • Bohrhakenlaschen
  • Stahlketten
Das Bild zeigt die Folgen der Spannungsrisskorrosion beim Einbohren in Meeresnähe. Aus einer Bohrhakenlasche steht ein gebrochener Bohrhaken heraus. Deutlich zu sehen die Bruchstelle.
Wegen Spannungsrisskorrosion gebrochener Bohrhaken in Cala Gonone 20016! Foto: bolting.eu

Fakten – Einbohren in Meeresnähe

Im Jahr 2015 wurde der Kletteröffentlichkeit die Problematik der Spannungsrisskorrosion so richtig bewusst. Einerseits durch schwere Unfälle. Andererseits durch einige darauffolgende Untersuchungen bzw. Feldversuche. Die Recherchen brachten alarmierende Erkenntnisse zu Tage:

  • betroffen sind so gut wie alle „populären“ Klettergebiete in Meeresnähe bis viele Kilometer ins Landesinnere
  • Fixpunkte können bereits unter geringsten Lasten brechen
  • die Gefahr ist von außen NICHT sichtbar
  • unter den „richtigen“ Umwelteinflüssen können Fixpunkte bereits nach wenigen Wochen brechen
  • alle Edelstähle, auch der Güteklasse AISI 316L / A4 Stahl sind betroffen
  • ALLE Sicherungspunkte in Meeresnähe sind der Gefahr ausgesetzt

Die Erkenntnisse haben enorme Auswirkungen auf das Thema Einbohren in Meeresnähe.

Folgende Aufzählung dies mehr als deutlich. Denn die beliebtesten südlichen Kletterziele werden von der UIAA in der Liste der betroffenen Gebiete angeführt:

  • Italien (alle Küsten, Sardinien und Sizilien)
  • Griechenland
  • Malta
  • Mallorca

    Folglich sind zudem betroffen:
  • Slowenien
  • Kroatien
  • Bosnien
Das Bild zeigt einen meeresnahen Klettersektor bei Leonidio in Griechenland. Ein Kletterer ist rechts im Bild auf einer Felswand zu sehen, links daneben das Meer. Hier ist Spannungsrisskorrosion sehr wahrscheinlich.
Alle populären „südlichen“ Klettergebiete sind betroffe. Hier ein meeresnaher Sektor in Leonidio. Foto: bolting.eu

Einflussfaktoren auf die Spannungsrisskorrosion

Folgende Umweltfaktoren begünstigen die Bildung:

  • Chlorid Konzentration: Chlorid Ablagerungen mit löslichen Salzen (Magnesium, Natrium, Kalzium)
  • Temperatur des Metalls: ab 20° C., insbesondere ab 30°C erhöht sich die Geschwindigkeit der Rissbildung.
  • Luftfeuchtigkeit: 20% bis 70% relative Luftfeuchtigkeit. Es ist v.a. Schmelzpunkt der Chlorid Lösungen welche hier das Problem darstellt.
  • meernahe Lage und Windeinfluss: eine Lage am Meer bzw. Küstennähe gilt als besonders gefährdet. Bei ungünstigen Windverhältnissen können schädigende Salze hunderte Kilometer landeinwärts getragen werden!
  • direkter Regen: Felsteile die nie direkt vom Regen erreicht werden, gelten als besonders gefährdet. Wenn der Regen die abgelagerten Chloride nicht wegspülen kann, entstehen hohe Konzentrationen der Salze.
  • Felstyp: Kalkgestein und Dolomit sind wegen ihres Magnesium und Kalzium Gehaltes besonders betroffen.
Das Bild zeigt einen Paradefehler beim Einbohren in Meeresnähe. Auf einem braunen Fels ist eine montierte Bohrhakenlasche mit Bohrhaken zu sehen. Allerdings nur in AISI 316 Stahl Qualität was zu wenig ist und Spannungsrisskorrosion vorprogrammiert.
1-2 Jahre alter AISI 316 Bohrhaken und AISI 316L Lasche mit A2 (!!!) Mutter und Beilagscheibe im Sektor „Mars“ in Leonidio 2018. Überall deutliche Korrosion zu sehen und somit auch Spannungsrisskorrosion Gefahr! Foto: bolting.eu

Folgende Materialeigenschaften der Fixpunkte begünstigen die Bildung:

  • Zugspannungen: sie entstehen produktionsbedingt durch Biegen, Rollen, Schneiden, Schweißen… des Stahls. Beispielsweise Klebehaken Rollen, Biegen), Ringe (Biegen, Schweißen), Kettenglieder (Biegen, Schweißen), Bohrhakenlaschen (Biegen, Bohren),…
  • Zugschwellspannungen: sie entstehen einerseits beim Verarbeiten. Das Anziehen der Bohrhaken mit einem zu hohen Drehmoment ist ein tolles Paradebeispiel. Andererseits aber auch durch Deformation. Dazu gehören sowohl Stürze als auch z.B. das Einschlagen von Klebehaken bei der Installation.
  • Stahlqualität: A2 Stahl / AISI 304 bzw. AISI 304L und darunter sind extrem stark betroffen. A4 Stahl / AISI 316 bzw. AISI 316L sind stark betroffen.

UIAA Empfehlungen zum Einbohren in Meeresnähe

Die Message ist eindeutig! Die UIAA stellt seit 2015 unmissverständlich klar:

Fixpunkte der Stahlqualität AISI 316 (L) oder AISI 304 sind NICHT geeignet für Klettergebiete wo Spannungsrisskorrosion dokumentiert ist!

Die UIAA empfiehlt daher für alle Klettergebiete mit dokumentierten Fällen von SCC Titanium als einziges geeignetes Material.

Wie zum Beispiel folgende Produkte:

Für alle Klettergebiete in Meeresnähe wo SCC vermutet wird oder einzelne Fälle aufgetreten sind, wird HCR Stahl (AISI 904L) empfohlen.

Wie zum Beispiel folgende Produkte:

In Küstennähe empfehlen wir von bolting.eu die preisgünstigen Duplex Stahl / FIXE PLX Stahl Produkte. Duplex Stahl hat eine wesentlich bessere Resistenz gegen Spannungsrisskorrosion als AISI 316 (L) Stahl und kostet nur etwa 20% mehr.

Es gibt alle wichtigen Komponenten aus Duplex Stahl:

Wer Bohrhaken verwendet muss auf den richtigen Drehmoment bei Bohrhaken achten! Nicht überziehen, es entsteht dabei sonst unerwünschte Zugspannung!

Das Bild zeigt drei Generationen an Stahlqualitäten beim Einbohren in Meeresnähe. In einem weißem Felsabschnitt stecken ein unkenntlich, zusammengerosteter Bohrhaken mit Aluminium Lasche. Darunter ein stark korrodierter A2 Stahl Klebebügel. Zu unterst am Bild ein Titanium Haken ordentlich verklebt.

Richtige Verbundkleber verwenden

Wer in Meeresnähe mit Klebehaken arbeitet, muss unbedingt auf den richtigen Verbundkleber achten.

bolting.eu empfiehlt unbedingt zu Verbundklebern ausschließlich mit ETA Zulassung. Sie müssen für die Verarbeitung in Meerwasser zugelassen sein. Die Spezifikationen findet man in der Gebrauchsanleitung bzw. in den Datenblättern der Hersteller!

Diverse chemische Einflüsse können nämlich nicht zugelassene Verbundkleber „auffressen“. Aggressive Substanzen wie säurehaltige Flüssigkeiten, Gase und Salze lösen den Kleber dabei einfach auf.

Wir empfehlen folgendes Produkt:

  • UIAA Report „Watch your anchor!“: er gehört zur Standard Literatur wenn es um das Thema Einbohren in Meeresnähe geht. HIER herunterladen!
  • Spannungsrisskorrosion auf Wikipedia
  • wissenschaftliches Paper (Englisch!) zu SCC / Spannungsrisskorrosion A. Sjong / L. Eiselstein 2008. HIER herunterladen!

FAQ´s – Einbohren in Meeresnähe

Welche Stahlqualität muss ich zum Einbohren in Meeresnähe verwenden?

Die UIAA Empfehlung für Kletterouten in Meeresnähe lautet Titanium. Für Klettergebiete mit geringem Nachweis von Spannungsrisskorrosion wird HCR Stahl empfohlen. Für Gebiete ohne nachweisbare Spannungsstresskorrosion kann man Duplex Stahl / Fixe PLX Stahl verwenden.

Alle diese Produkte sind beim Einbohr Spezialisten bolting.eu erhältlich.

Was ist Spannungsrisskorrosion?

Spannungsrisskorrosion ist der Riss von Werkstoffen entweder im kristallinen Gefüge oder an den Kanten des kristallinen Gefüges aufgrund des gleichzeitgen Einflusses von Spannungen (Zugspannungen oder Zugschwellspannungen) und eines Angriffsmittels (Chloride mit den Salzen Natrium, Kalzium und Magnesium).

Wo kann ich Titanium Bohrhaken und Klebehaken kaufen?

Der Österreichische Onlineshop bolting.eu hat sich auf Einbohrmaterialien spezialisiert und verkauft Einbohrmaterialien aus Titan.

Was muss ich beim Einbohren in Meeresnähe beachten?

Wichtig beim Einbohren in Meeresnähe ist die Verwendung des richtigen Materials. Klebehaken, Bohrhaken, Bohrhakenlaschen und Umlenker müssen entweder aus Titan, HCR Stahl oder zumindest aus Duplex Stahl sein. Zumindest muss ein zertifizierter Verbundkleber mit Zulassung für Meerwasser verwendet werden.
Alle diese Produkte sind beim Einbohr Spezialisten bolting.eu erhältlich.

Reicht A4 Stahl / AISI 316L zum Einbohren in Meeresnähe aus?

Nein, A4 Stahl / AISI 316L reicht nicht aus. Es muss Titan, HCR Stahl oder zumindest Duplex Stahl verwendet werden.
Alle diese Produkte sind beim Einbohr Spezialisten bolting.eu erhältlich.

Wieso rosten Bohrhaken in Meeresnähe so stark?

Bohrhaken rosten in Meeresnähe so stark wegen den Einflüssen der Salze im Meerwasser. Das Salzwasser führt zur Bildung Ablagerungen, Chloriden mit den Salzen von Kalzium, Natrium und Magnesium. Die aggressiven Stoffe lösen sich bei entsprechender Temperatur und Luftfeuchtigkeit und können so die Metalle angreifen.

Eine nicht sichtbare Form der Korrosion bei Bohrhaken in Meeresnähe ist die die Spannungsrisskorrosion. Sie kann zum Bruch des Bohrhakens führen.