Kletter Infrastruktur in der Region Gardasee

Im Herbst 2022 erhielt ich eine Einladung von der Region „Garda Trentino“ zu einer Presse Reise. Das Thema war mit „Outdoor Safety“ in den Bereichen Bike, Segeln und Klettern recht allgemein gehalten. Nicht unbedingt etwas für einen Spezialisten und Blogger wie mich.

Aber ein paar E-Mails und Telefonate später war klar. Ich würde speziell dem Thema „Kletter Infrastruktur“ in dieser europäischen Vorreiter Region ordentlich auf die Pelle rücken können.

Im Folgenden möchte ich erstens beleuchten, wie die Bedeutung des Klettersports für diese Tourismusregion ist.

Zweitens, wie „Garda Trentino“ dieses Thema steuert. D.h. wie die notwendige Organisation hinter der Infrastruktur aussieht.

Denn drittens, was sie genau für die Infrastruktur tut und wieso bzw. wie sie das genau macht.

Und letztlich werde ich versuchen zusammenzufassen, was man daraus lernen kann, wenn man es ebenfalls „richtig“ machen möchte.

Bedeutung des Klettersports für die Region Gardasee

Wie keine andere Region in den Alpen, ist die Region ein Synonym für den „Klettersport“. Der Kletterführer Gardasee ist ein eindrückliches Zeugnis der herausragenden Stellung dieser Region.

Die Alleinstellung dieser Destination liegt in vielen unterschiedlichen Faktoren begründet. Einerseits die klimabegünstigte Lage südlich der Alpen mit starkem, mediterranen Einfluss. Damit ist sowohl das Klima als auch das „dolce vita“ gemeint. Spritz, Pizza und Gelato auf der „piazza della chiesa“ lassen grüßen!

Andererseits sind es aber die unglaublich vielen Klettermöglichkeiten. Was in den 1980er Jahren mit einigen klassischen Mehrseillängenrouten voller Felshaken am Colodri und wenigen, mit Bohrhaken abgesicherten Klettergärten begann, entwickelte sich zu einer absoluten Top Destination in Europa.

Heute warten hier Klettersteige, alpine Mehrseillängen und Sportkletter Mehrseillängen auf die kletterbegeisterten Gäste.

Frau in einem Klettersteig am Colodri in Arco.
Keine Destination im Alpenraum steht so für den Klettersport als das Garda-Trentino. Durch die Analyse der Organisation, Strategie und operativen Umsetzung der Kletter Infrastruktur lässt sich extrem viel lernen!
Bild: Tourismusregion Garda – Trentino

Anteil Klettergäste und Umsätze

Ein Blick auf die Gästezahlen bzw. Motiverhebung aus dem Jahr 2018 macht die Bedeutung des Klettersports sehr deutlich.

2018 hatte die Region Garda – Trentino insgesamt 878.000 Ankünfte und 3,52 Mio. Nächtigungen.
Das betraf nur den „Trentiner“ Teil des Sarcatals, also die Ortschaften von Riva / Torbole, Arco, Nago und hinauf nach Dro und Drena.

Hinsichtlich der Motive, konnten im selben Jahr diese Anteile bei den Nächtigungen erhoben werden:

  • 60% Outdoor allgemein (2.100.000)

    davon entfallen auf die jeweiligen Sportarten:
  • 54% Radfahren (1.134.000)
  • 18% Klettern (378.000)
  • 17% Wassersport (357.000)
  • 11% Wandern (231.000)

Dabei beliefen sich die Ausgaben für den gesamten Outdoor Bereich ca. 169 Mio. Euro. D.h. der Klettersport alleine erwirtschaftet einen Umsatz von 30,42 Mio. Euro. Umgerechnet auf jeden einzelnen Klettergast sind das im Schnitt 80 Euro / Tag.

Eingerechnet natürlich auch der gesamte Einkauf von Ausrüstung wie Kletterseile, Gurte, Sicherungsgeräten, usw…

Neben der quantitativen Betrachtung, sollte aus touristischem Blickwinkel aber vor allem das qualitative Detail der Hauptreisezeit der Kletterer betrachtet werden.

Denn im Winter ist es oft schlicht viel zu kalt, und im Hochsommer oft viel zu heiß. Somit sind es vor allem die „Übergangs-Jahreszeiten“, welche die Kletterer ins Sarcatal bringen. Folglich sprechen wir von der Haupt Kletterzeit März (Ostern) bis Ende Mai (Pfingsten), sowie September bis Oktober.

Unter diesem „touristischen Blickwinkel“ wird schnell klar. Die Kletterer füllen die Betten in der Region vor allem in den Nebensaisonen. Folglich leisten sie einen enorm wichtigen Beitrag zur Steigerung der Vollauslastung weit jenseits des „break even“ von ca. 100 Tagen / Jahr.

Denn traditionell hat man in der Region im Sommer ohnehin eine sehr gute Auslastung von Juni bis Ende August.

Klettergruppe über dem Sarcatal in der Region Garda Trentino.
Ca. 378.000 Nächtigungen pro Jahr gehen direkt auf das „Konto“ von Kletterern in der Region Garda Trentino, über die Hintergründe konnte ich mir ein tollen Überblick verschaffen!

Steuerung der „dualen“ Entwicklung der Kletter Infrastruktur

In der Region Garda Trentino besteht ein „duales“ System bei der Kletter Infrastruktur.

Zum einen gibt es die „gewachsene“ Kletter Infrastruktur. D.h. alle Klettergärten und Mehrseillängenrouten, die auf die Initiative von einzelnen Kletterern, Kletterfreunden, Klettervereinen (C.A.I., S.A.T.) sowie Klettershops eingerichtet wurden. Das sind einige Tausend Routen und somit der Großteil aller Klettergebiete im und rund ums Sarcatal.

All diese Routen werden nicht offiziell kontrolliert bzw. gewartet. Für sie besteht oft auch kein „Pachtvertrag“ und werden quasi „nur“ geduldet. Denn es gibt hier keinen „Klettergartenhalter“ im Sinne einer „Körperschaft“ oder „Rechtsperson“. Folglich gibt es hier auch keine „Rahmen Infrastruktur“ wie Parkplätze, Toilette, Ausschilderung usw… . Wichtig für alle Kletterer! Man ist hier gänzlich eigenverantwortlich unterwegs. Niemand übernimmt die Haftung für eventuelle Unfälle, wie z.B. bei einem Hakenbruch, eingeschliffenen Karabinern, usw..

Zum anderen gibt es aber auch die „offiziellen“ Klettergärten und Klettersteige der Tourismusregion. Das sind derzeit 23 Klettergärten mit 896 Routen und 10 Klettersteige (Stand Juni 2023). D.h. diese Klettergärten und Klettersteige werden seitens der Region als „Klettergartenhalter“ verwaltet. Sie entsprechen strengen Vorgaben, werden regelmäßig überprüft und gewartet. Zudem gibt es hier auch immer die nötige „Rahmen Infrastruktur“.

Die Verantwortliche für die Kletter Infrastruktur in der Region, Stefania Oradini, meint dazu: „Wir sind uns über dieses „duale System“ vollkommen bewusst. Es stört uns auch in keinem Fall. Wir wissen wie wichtig diese Kletterangebote für unsere Gäste sind. Um das touristische Thema Klettern jedoch steuern zu können, hat die Region bereits früh erkannt, dass man sich selbst um einen Teil der Kletterangebote kümmern muss!“

Um das touristische Thema Klettern jedoch steuern zu können, hat die Region bereits früh erkannt, dass man sich selbst um einen Teil der Kletterangebote kümmern muss!“

Stefania Oradini – Projektverantwortliche Tourismusregion Garda Trentino
Kletterer im Klettergarten Belvedere am Gardasee.
Die Region Garda – Trentino verwaltet derzeit selbst 19 Klettergärten mit 731 Routen sowie 10 Klettersteige, um das touristische Thema „Klettern“ steuern zu können.
Bild: Tourismusregion Garda – Trentino

Kletter Infrastruktur selber in die Hand nehmen

1991 fand im Klettergebiet „Massone“ eine Klettergarten Sanierung statt. Es war die erste „offizielle“ Infrastruktur Maßnahme in der Region in Abstimmung mit der Gemeinde Arco. Um eine Sperrung des Gebietes zu vermeiden, musste man zudem eine Lösung hinsichtlich Zugang, Parken und sanitäre Anlagen finden.

Das war der Startpunkt für die „offiziellen“ Klettergebiete im Sarcatal. Von Anfang an mit dabei war Angelo Seneci, der Gründer des „Rockmaster“. Heute ist er Outdoor Consultant für die Region und besitzt zudem die Firma Sintroc.

Angelo meint dazu: „Eine Tourismusregion tickt etwas anders als die regionale Klettercommunity. Während die Locals eher Massive „für sich“ erschließen, mit Tendenz zu schwereren Routen über dem Grad 6b, möchte eine Region die Entwicklung homogen gestalten. D.h. auch genügend Kletterangebote für Anfänger und Familien schaffen.“

Mit Massone nahm also 1991 alles seinen Anfang, hinsichtlich den „offiziellen“ Gebieten. Bis 2009 musste sich die Region Garda-Trentino für die Schaffung neuer Klettergärten immer mit den entsprechenden Gemeinden abstimmen. Denn ihnen oblag in Abstimmung mit der Region vor allem die Finanzierung neuer „offizieller“ Massive.

Ein zeitintensiver, umständlicher und mühsamer Prozess. Denn zum einen mussten sich die jeweiligen Mitarbeiter in den Gemeinden um die Projekte kümmern. Und zum anderen musste die Kommune das auch alles selber finanzieren bzw. sich die Mittel besorgen.

Irgendwann wurde klar, dass eine systematische Entwicklung des Kletter- bzw. der der anderen Outdoor Themen, zentralisiert werden sollte. So kam es 2009 zu einer ganz wichtigen Veränderung. Die strategische Entwicklung für die Outdoorthemen wanderte auf die Ebene des neu geformten „Outdoorpark – Garda Trentino„.

Klebehaken im Klettergarten Massone in Arco in rötlichem Fels.
Weitsichtig wurde 1991 mit Massone der erste Klettergarten seitens der Region „übernommen“. Alles wurde bereits mit A2 Stahl Klebehaken und Epoxy-Injektionsmörtel ausgestattet. Sie halten noch heute!

Outdoorpark – Garda Trentino

Der „Outdoorpark Garda – Trentino“ ist eine Arbeitsgruppe bestehend aus Provinz Trentino, Gemeinden, Tourismusregion und dem italienischen Forstamt. Hier werden mittlerweile alle Entscheidungen hinsichtlich der strategischen Entwicklung für die Themen Bike, Wandern, Klettern und Laufen getroffen.

Der Vorteil dieser Struktur ist, dass die Tourismusregion beim Thema Klettern alle Agenden zentral steuert. D.h. von der Finanzierung bis zur Umsetzung neuer Erschließungen und deren touristische Nutzung, läuft alles über den Tisch von Stefania Oradini. Sie arbeitet dabei in enger Abstimmung mit dem Outdoor Consultant Angelo Seneci zusammen.

Er kümmert sich um die Auswahl potentieller Felsen, die man als „offizielle“ Gebiete entwickeln könnte. Das selbe gilt für Klettersteige. Dabei geht man mit einer klaren Strategie vor. Ein Erfolgsmodell, dass sich in der Region immer weiter ausweitet. Erst 2023 kam das „Valle dei Laghi“ und die Ortschaft „Comano“ mit drei neuen Klettergebieten zum Outdorpark dazu.

Der Geschäftsführer der Region Garda – Trentino, Oskar Schwazer meint dazu: „Wir sehen uns als Region immer stärker in der Rolle eines Themenentwicklers. Deswegen geben wir mittlerweile ein Drittel ( ca. 1 Mio. €) des Budgets direkt für Infrastrukturmaßnahmen des „Outdoorpark“ aus. Die perfekte Infrastruktur sind das beste Marketing für uns, der Gast folgt automatisch. Für uns steht die „Attraktivität“ der Region für den Gast, aber auch für die einheimischen Sportler im Vordergrund. Nur wenn wir für beide Stakeholder in die Überlegungen einbeziehen bzw. einbinden, können wir ein gutes Ergebnis erzielen!“

Die Themenentwicklung lässt sich die Region eine bedeutende Summe Geld kosten. Jährlich wandert ca. ein Drittel, also mehr als 1 Mio. Euro direkt in die Outdoor Infrastruktur der Region. Mit 2023 soll dieser Anteil nochmals deutlich steigen.

Angesprochen auf die Rolle der Region als reine Marketing- und Buchungsplattform meint der Geschäftsführer:

„Wir sehen uns als Region immer stärker in der Rolle eines Themenentwicklers. Deswegen geben wir mittlerweile ein Drittel ( ca. 1 Mio. €) des Budgets direkt für Infrastrukturmaßnahmen des „Outdoorpark“ aus. Die perfekte Infrastruktur sind das beste Marketing für uns, der Gast folgt automatisch.“

Oskar Schwazer – GF Region Garda Trentino
boltng.eu Inhaber Gerhard Schaar in einem Klettersteig am Gardasee.
Die Region Garda Trentino investiert überdurchschnittlich viel Mittel direkt in die Infrastruktur. Themenentwicklung und hochwertige Kletterangebote v.a. für Anfänger sind für die DMO das beste Marketing!


Die Kletterstrategie der Region Garda Trentino

Bei der Kletter Infrastruktur folgt man einer klaren Strategie. Man kümmert sich vor allem darum, bestehende „gewachsene“ Gebiete in „offizielle“ umzuwandeln. Neue Gebiete werden bewusst keine erschlossen, vielmehr versucht man – wo möglich – leichte Linien zu den bestehenden dazu zu erschließen.

Das macht die Region mit Erfolg. Denn zum einen sind seit 2010 bereits 19 Klettergärten in den Betreuungsbereich der Region bzw. des „Outdoorpark“ übergegangen. Und zum anderen hat sich die Schwierigkeitsverteilung in den betreuten Massiven umgedreht. Waren bis 2009 nur 50% der Routen unter 6b, so sind es 2022 bereits ganze 70%. Tendenz steigend!

Alles in allem verfolgt die Strategie die Schaffung eines überschwelligen Angebotes. Man will zu den unzähligen „wilden“ Klettergärten, hochqualitative Gebiete für den Anfänger und Otto-Normalverbraucher hinzufügen. Und das eben mit nachhaltigem System und dem Ziel eine der Top Kletterdestinationen in Europa zu sein.

Kriterien für offizielle Klettergärten

Damit ein Massiv den Titel „offizieller Klettergarten“ der Region Garda-Trentino erhält, muss einiges geschehen.

Zu allererst wird ein Team rund um und mit Outdoor Consultant Angelo Seneci tätig. Die Consultants prüfen die Möglichkeiten, potentielle Felsen bzw. Grundstücke „pachten“ zu können. Das muss im Rahmen des „Outdoor Park“ die jeweilige Gemeinde machen.

Ist das möglich, so folgt ein geologisches Gutachten für das betreffende Massiv. Dabei geht es um die Feststellung der Felsqualität sowie potentiellen Risiken bzw. mögliche Fels Absicherungen wie Steinschlagnetze und die Felsreinigung.

Interessant dabei ist das kategorische Ausschließen von „offiziellen Klettergärten“ an der Basis von größeren Wänden. Angelo Seneci meint dazu: „Befinden sich Klettergärten am Fuß von größeren Wänden, sind unserer Meinung für „offizielle“ Gebiete kategorisch auszuschließen. Der potentielle Steinschlag von „weiter oben“ wäre nicht kontrollierbar und stellt ganz klar ein Ausschlusskriterium dar!“

Der weitere Schritt besteht im „Einreichen“ der Projekte im Gremium des „Outdoorpark“. Genehmigt der Vorstand das Projekt, geht es weiter mit der Sicherung der Finanzierung und der operativen Umsetzung.

In der Regel bedeutet das zum einen das Ansuchen um „Baubewilligung“ bei der jeweiligen Gemeinde. Schließlich geht es ja auch um die notwendige Rahmen Infrastruktur wie Parklätze, Wege sowie Aufbauten wie Toiletten und Fahrrad Parkstangen. Auch der „offizielle“ Klettergarten selbst ist hier in Italien seitens der Gemeinde „genehmigungspflichtig“.

Ist das alles geklärt, erfolgt die Beauftragung des immer selben Erschließerteams aus dem Pool der „Garda Outdoor Park Rangers mit der operativen Umsetzung der Sanierung oder Routenerschließung bzw. dem Klettersteigbau. Und zum anderen laufen parallel alle Rahmen Infrastrukturmaßnahmen an.

  • Vertrag Gemeinde – Grundbesitzer
  • wenn nötig Felssicherung durch Spezialfirma
  • Schaffung Parkplätze
  • sanitäre Einrichtung
  • Möglichkeit Wasser zu entnehmen wie z.B. Brunnen
  • Zugangswege
  • Aufstellen einer Infotafel
  • Rad – Abstellplätze

Die Beauftragung des immer selben Teams bietet fachlich gesehen einige große Vorteile. Erstens das Einhalten der absolut selben Standards in allen Gebieten, allen voran die Verwendung von ausschließlich Klebehaken bzw. Epoxyharz Injektionsmörtel. Zweitens ist es die homogene Absicherung und die „anfängerfreundlichen“ Abstände die tatsächlich überall gleich sind. Und drittens hat man es mit einem Trupp „Einbohrern“ zu tun, die alle die gleiche Qualität abliefern.

In Tirol ist ein vergleichbares Projekt ja Climbers Paradise. Hier wird auch extrem viel geleistet und positives für die Klettercommunity geschaffen. Im Gegensatz zum Gardasee gibt es jedoch ein paar deutliche Unterschiede.

In Tirol gibt es kein fixes, zentral agierendes Erschließerteam, sondern in jeder Region eigene „Einbohrer“ und „Sanierer“. Mit dem Unterschied, dass hier die „offiziellen Klettergebieten“ mal mit Bohrhaken und mal mit Klebehaken abgesichert sind. Hier gibt es also kein einheitliches System.

Klebehaken werden bei Climbers Paradise auch mit unterschiedlichsten Mörteln verklebt. Manchmal auch noch mit Glasmörtelpatronen, was nicht mehr dem aktuellen Stand des Wissens entspricht. Klebehaken mit nicht fachgerechten „Ausständen“ wie z.B. im Höttinger Steinbruch oder in Oberried können dabei die Folge sein.

Hinsichtlich des einheitlichen Standards und der Qualität der Verarbeitung hat hier die Region Garda Trentino die Sache also anders gelöst. Denn hier implementiert das fixe Erschließerteam der „Garda Rangers“ eine komplett homogenes System der Absicherung. Sachlich betrachtet sind dabei die Klebehaken aus AISI 316L Edelstahl – als wartungsfreies System – in Kombination mit Epoxymörtel die derzeit beste und auch nachhaltigste Lösung.

Klebehaken im Klettergarten Massone am Gardasee in rötlichem Fels.
In allen offiziellen Klettergärten der Region Garda Trentino werden ausschließlich AISI 316L Klebehaken mit Eoxymörtel verarbeitet. Das schafft ein homogenes, wartungsfreies System mit dem derzeit besten Standard (da geringster Verbundspannungsabfall aller Injektionsmörtel Arten!)

Technische Standards für Klettergärten der Region Garda – Trentino

Wie bereits erwähnt, unterliegen alle „offiziellen“ Klettermöglichkeiten strengen Kriterien. im Fall von Klettergebieten wären dies:

  • Grundlage für ein Tätigwerden ist eine mögliche „Pacht“, ein positives geologisches Gutachten und eine „Baugenehmigung“ der Gemeinde
  • sauberes Abräumen aller losen Gesteinselemente
  • das Einrichten und Sanieren der Kletterrouten erfolgt über Mauro Girardi und mMove über ein fixes, bestens eingeschultes Team an „Selbständigen“, die von mMove einen „Werkvertrag“ erhalten; jedes Teammitglied muss hierfür eine „Haftpflichtversicherung“ vorweisen können;
  • Absicherung nur mit AISI 316L Klebehaken mit EN 959 Norm
  • Umlenker-Kettenstände nur mit AISI 316L Klebehaken bzw. Kette + Ring und 2 gegenläufigen Stahlkarabinern aus Edelstahl mit EN 12275 Norm
  • geklebt wird ausschließlich mit Epoxy Injektionsmörtel (!)
  • Hakenverteilung am Einstieg ist genormt mit:

    – 1. Haken bis max. 220-300cm Höhe
    – 1. Haken in Familiengebieten max. in 250cm Höhe
    – 2. Haken + 80cm
    – 3. Haken + 100cm
    – 4. Haken + 120cm
    – 5. Haken + 150cm
    – 6. Haken + 180cm
    – ab. 7. Haken + 250cm

Angesprochen auf die verpflichtende Verwendung von eher teureren Epoxy Injektionsmörteln, meint Mauro Girardi: „Wir haben 1991 in Massone alle Klebehaken mit Epoxy verarbeitet. Aktuelle Festigkeitsprüfungen zeigen, dass diese Haken immer noch sicher sind. In einigen Massiven wurden inzwischen leider andere Injektionsmörtel verwendet. Dort gab es dann vereinzelt große Probleme, sprich es sind Klebehaken locker geworden. Wie im Gebiet „Muro dell´Assino“ um 2010. Aus diesem Grunde verwenden wir ausschließlich Epoxy Injektionsmörtel. Also die bestmögliche Mörtelqualität, mit der höchsten Lebensdauer und dem geringsten Verbundspannungsabfall!“

Die Bemühungen der Region, die „offiziellen Klettergärten“ und auch die Klettersteige so sicher wie nur möglich zu machen sind also sehr groß. Dabei darf man aber eines in keinem Fall vergessen. Wir haben es hier mit Natursportarten und damit verbundenen Risiken und unvorhersehbaren Ereignissen zu tun.

Eine umsichtige Planung, sichere Ausrüstung und ein Blick auf die Wetterverhältnisse sollten unverzichtbarer Bestandteil des Urlaubs sein.

Mmove Inhaber Mauro Girardi mit Klettersteigset und Gästen.

Um 2010 gab es Probleme mit Klebehaken die mit Vinylester Mörteln verklebt wurden. Aus diesem Grunde verwenden wir ausschließlich Epoxy Injektionsmörtel. Also die bestmögliche Mörtelqualität, mit der höchsten Lebensdauer und dem geringsten Verbundspannungungsabfall!“

Mauro Girardi – mMove & Infrastruktur Beauftragter

Wartung der offiziellen Klettergärten

Wurde ein Klettergarten „offiziell“ von der Region Garda Trentino übernommen, so erfolgt auch ein entsprechendes Qualitätsmanagement bzw. jährliche Wartung.

Hier zeigen sich sich erneut die Vorteile der Schaffung des Arbeitskreises „Outdoor Park“. Denn es werden dort zentral eigene Outdoor Guides angestellt, welche die jährlichen Überprüfungen verbindlich und protokolliert durchführen bzw. regelmäßig unter dem Jahr auch zusätzlich inspizieren.

  • Abseilen über jede Route
  • Kontrolle des Umlenkers bzw. Umlenkkarabiner (optisch & haptisch)
  • Kontrolle jedes Fixpunktes (optisch & haptisch)
  • Kontrolle der Felsoberfläche 2m links / rechts jeder Route
  • Meldung gefährlicher größerer Felsstrukturen an Geologen
  • Check der Steinschlagschutz Netze sowie deren Säuberung
  • zentrale Abgabe von ausgetauschtem Material Schraubgliedern, Kettenständen, Bohrhakenlaschen, etc…. mit Angabe Ort, Datum und einer Erklärung
  • Wartungsbericht über jedes Gebiet

In der zentralen Struktur liegt ein ganz wesentlicher Unterschied zu vergleichbaren Projekten, wie z.B. Climbers Paradise in Tirol. Hier sind alle Tourismusregionen in Tirol selber für die Wartung verantwortlich. Mit dem Unterschied, dass es hier keine zentrale Übersicht gibt, wer, wann, was gewartet hat oder vielleicht auch gar nicht.

Am Gardesee ist das anders dank der zentralen Struktur des „Outdoor Park“ und den „Outdoor Guides“ deutlich strukturierter geregelt. Alle tun überall das Gleiche und warten in kontrollierten, dokumentierten Zeitintervallen.

Kettenstand und Klebehaken in grauer Felswand in Klettergarten in Arco.
Jede Standkette und jeder Fixpunkt werden jährlich kontrolliert sowie bei einer Gefahrenmeldung zusätzlich gecheckt bzw. sofort ausgetauscht.

Rahmen Infrastruktur

Die Strategie der Region Garda Trentino sieht für jedes offizielle Klettergebiet auch die entsprechende Rahmen Infrastruktur vor.

Dazu gehören Parkplätze, Fahrrad Park-Stangen, eine Toilette, ordentlich beschilderte Zustiegswege, Mülleimer und Infotafeln mit Routeninfos. Darauf finden sich Warnhinweise, Notfallnummern und Kontakt der Meldestelle für technische Probleme, wie z.B. lockere Haken oder Felsteile.

Das ist im Rahmen der Planungen nicht nur ein großer finanzieller Faktor, sondern auch ein schwieriges bürokratisches Unterfangen.

Stefania Oradini meint als Themenverantwortliche der Tourismusregion dazu: „Bei den Auflagen für die Aufbauten wie Toiletten, stoßen wir leider oftmals auf schwierige Hindernisse. Es ist nicht immer einfach, in den naturnahen Lagen eine Baugenehmigung zu erhalten. Allerdings hat uns die Erfahrung ganz klar gelehrt, dass man nicht nur A sondern auch B sagen muss. Oder besser gesagt A wie (Kletter)Angebote, P wie Parkplatz, T wie Toilette und W wie Wartung. Ein Angebot durch z.B. einen Klettergarten zu schaffen, mit entsprechender Frequenz an Autos, Fahrrädern, Menschen, Fäkalien, Müll, usw…, bedeutet auch alle Auswirkungen vorab zu berücksichtigen. Deswegen gilt für uns nur „Ganz oder gar nicht!“

Hintergrund dieser Strategie ist natürlich die Vermeidung von Problemen im Spannungsfeld Gäste – Einheimische und Natur.

Zum einen geht es um eine positive „customer journey“ und dem Einhalten eines Kundenversprechens. Und zum anderen kann das in einer Region, wo soviel geklettert wird, nur dann nachhaltig sein, wenn man für die einheimische Bevölkerung und die Natur die „Nebengeräusche“ zu gering wie möglich hält.

Was Tourismusregionen aus all dem lernen können

Im Folgenden versuche ich, meine persönlichen „learnings“ kompakt zusammen zu fassen.

DMO´s (Tourismusregionen) sollten beginnen, sich mehr als Themenentwickler zu verstehen. Denn nur wer ein überschwelliges Themen- und Infrastrukturangebot hat, wird sich am Markt durchsetzen.

Um das zu entwickeln, gibt es ein paar wenige, aber umso wichtiger Punkte:

  • man benötigt eine übergeordnete Struktur mit allen Stakeholdern wie Tourismusregion, Gemeinden, Grundbesitzer oder Forstamt
  • für ein „überschwelliges Angebot“ muss man „groß“ denken und entsprechende, finanzielle Mittel auftreiben – klein strukturierte Projekte haben keine Aussicht im nationalen oder gar internationalen Maßstab tatsächlich buchungsrelevant zu sein
  • perfekte Infrastruktur ist bereits eine sehr gute Marketing Investition
  • die Klettercommunity macht Kletterrouten für die Community, d.h. durchwegs Linien ab dem Grad 6b, folglich muss man sich aktiv um die Schaffung der „leichten Wege“ kümmern
  • ein „duales“ System aus den Klettergärten der Community und „offiziellen Klettergärten“ von Regionen koexistieren perfekt am Gardasee, folglich sollten Locals von den Stakeholdern in ihrer Region ebenso gefördert werden
  • jede moderne Kletter Infrastruktur berücksichtigt konsequent alle „Nebengeräusche„, d.h. Parkplätze, Zugangswege, Ausschilderung und sanitäre Einrichtungen müssen für nachhaltigen Erfolg vorhanden sein
  • größere Kletterdestinationen sollten die Erschließung und Wartung zentralisieren, nur wer wirkliche Experten in einem fixen Team hat, wird eine homogene Absicherung erreichen
  • systematische Erschließungen und Sanierungen von Kletterrouten sollten nur mehr mit AISI 316L Klebehaken und Epoxyharz Mörteln gemacht werden, Bohrhaken sollten gar nicht mehr verwendet werden
  • die Wartung von Kletterrouten muss je nach Frequenz mitunter mehrmals jährlich erfolgen (Umlenkkarabiner!)
  • eine zentrale Routendatenbank – die stringent und komplett gewartet wird – erscheint zur Dokumentation äußerst ratsam
  • Klettersteige sind für viele Gäste der „Einstieg“ in die Vertikale bzw. ein Grund, eine Region kennen zu lernen, es sollten parallel Felskletter- und Klettersteig Infrastruktur Entwickelt werden
  • wir raten strikt zu einer parallelen Entwicklung der Radwege Infrastruktur bzw. fahrradfreundlichen Rahmen Infrastruktur bei Klettergärten und Klettersteigen
Das Bild zeigt bolting.eu Geschäftsführer Gerhard Schaar. Er blickt mit T-Shirt und blauem Sakko bekleidet in die Kamera und hält in seiner linken HAnd ausgestreckt einen Bohrhaken in der Hand.

Autor Gerhard Schaar ist Inhaber der Firma bolting.eu und Experte, wenn es um Kletter Tourismus und Infrastruktur geht. Dieser Beitrag kam auf eine bezahlte Einladung der Tourismusregion Garda-Trentino zustande.

Vielen Dank an Hannah Hörmann von Crystal Communications, Stefanie Oradini und Natasha Bontadi von Garda Trentino für die äußerst herzliche Betreuung, sowie Angelo Seneci und Mauro Girardi für die ausführlichen Interviews.