Einbohr Fails #1
Endlich ist es soweit. Wir starten bei bolting.eu mit unserer Einbohr Fail Serie. Darin wollen wir Beispiele bringen, wie man Klebehaken, Bohrhaken und Co. falsch anbringen kann. Heute stehen dabei die Bohrhaken im Mittelpunkt.
Dabei wollen wir den Bogen von haarsträubenden und äußerst gefährlichen Fehlern, über Schlampigkeiten bis hin zu „subtilen Fails“ spannen.
Ziel ist es zum einen die Klettercommunity im allgemeinen zu sensibilisieren. Ihr seid nämlich selber dazu angehalten, alle Sicherungspunkte wie z.B. auch Kettenstände auf ihre Funktionstüchtigkeit hin zu überprüfen. Egal ob Klettergarten oder alpines Gelände. „Blindes Vertrauen“ oder unachtsames Konsumieren kann fatale Folgen haben!
Und zum anderen soll dieser Beitrag informativ für „Erschließer“ sein. D.h. alle die Kletterrouten einbohren bzw. in der Klettergarten Sanierung tätig sind.
Danke allen, die durch ihre Zusendungen von Bildern geholfen haben, diesen Beitrag möglich zu machen!
Du hast auch Fotos von „Einbohr Fails“? Dann schick uns diese doch bitte per E-Mail mit kurzer Angabe zu Standort, was du fotografiert hast, sowie ev. Gebietsname und Route / Klettersteig.
Der Lusterhaken!
Unsere Einbohr Fail Serie wollen wir gleich mit einem echten Highlight beginnen. Einem Lusterhaken an einem Standplatz. Ja genau, L-U-S-T-E-R-H-A-K-E-N!
Eingeschickt von Felix Dumann, der ihn in der Route „Linke Achsel“ am Kofel(turm) in den Ammergauer Alpen.
Der Lusterhaken befindet sich an einem Standplatz, direkt über einem M12 Bohrhaken, an welchem eine Gerüstöse montiert ist. Alles zusammen also ein extrem gefährlicher Murks.
Facts:
– Lusterhaken hat hier natürlichnichts zu suchen
– extreme Gefahr der Verwendung als alleinige Selbstsicherung am Standplatz durch Anfänger oder bei Stresssituation
– nötige Ausrisskraft = nur Körpergewicht genügt
– M12 mit Gerüstöse --> man weiß das Gerüstösen schon bei 2-3 kN Krafteinwirkung gebrochen sind
Fazit: kann eine Verwendung nach sich ziehen die tödlich enden kann!!!
Gespaltener Felsblock und loser Bohrhaken
Dieses Bild haben wir von Marvin Kärle von www.lechtal-alpin.at. Marin hat diese „Blüte“ am Olperer Normalweg gefunden. Niemand weiß wer den Bohrhaken gesetzt hat und ob dann ein Riss entstanden ist. Oder ob der Bohrhaken vielleicht einfach nur in den Riss gesteckt wurde.
Facts:
– hier ist hat man in einem 2er Gelände
– 2 m unterhalb steckt ein sehr guter Bohrhaken mit Lasche, der auch von den regionalen Bergführern benutzt wird
– beachtet auch den Baumarkt Karabiner (natürlich ohne irgendwelchen EN 362 oder EN 12275 Normwerte) in der Lasche
– Ursache könnte möglicher Weise ein zu hoher Drehmoment beim Bohrhaken --> sehr hohe Spreizwirkung des Bohrhakens
– könnte in kompletter Unwissenheit auch nur reingesteckt worden sein
Fazit: Hier wurde leider ordentlich gemurkst. Für komplette Anfänger oder in Stress Situationen eine potentielle Gefahrenquelle. Hoffentlich schon entfernt!
Mindestabstand missachtet!
Unser nächstes Bild kommt von Julius Kerscher und ist von der „Kleinen Halt“ im Wilden Kaiser. Dort ist bei einem Zwischenhaken der Fels gerissen.
Facts:
1.) es wurde der Mindestabstand (Ausrisskegel bei Bohrhaken) zur Felskante missachtet wurde
2.) möglicher Weise war auch der Drehmoment beim Bohrhaken zu groß
3.) der Fels duldet hier offensichtlich keine großen Druckkräfte („spröder Fels“)
Ich hoffe man sieht in der 72dpi Internet Auflösung die feinen Haarrisse, welche den Fels durchziehen. Der Riss geht aufschlussreich und logischer Weise exakt durch das Bohrloch durch.
Fazit: Super Beispiel für den Ausrisskegel bei Bohrhaken und Mahnung, ja den Mindestabstand zu Kanten von 1,5 Mal die Verankerungstiefe einzuhalten!
Einbohrfail Klassiker – Galvanische Korrosion
Kennt ihr das elektrochemische Prinzip der galvanischen Korrosion? Nein?
Dann macht euch nichts draus, denn offensichtlich ist das Prinzip leider vielen Erschließern auch kein Begriff. Wie perfekt am Bild von Johnny Ray zu sehen. Er hat uns ein Bild von einer Edelstahl Bohrhakenlasche mit einem wohl verzinkten Bohrhaken aber definitiv mit einer verzinkten Mutter geschickt. Das Klettergebiet ist die Ehnbachklamm bei Zirl, die Route ist die „Schwarze Riepe“.
Wie man sieht, wird das unedle Metall „reduziert“. Oder besser ausgedrückt. Wer unterschiedliche Stahlqualitäten mischt, kreiert „Rost“ am unedlen Metall.
Mehr Infos in unserem Fachbeittrag: Galvanische Korrosion bei Bohrhaken
Facts:
– verzinkte Mutter und ev. auch verzinkter Bohrhaken mit Edelstahl Lasche
– man sieht bereits sehr stark fortgeschrittene „galvanische Korrosion“
– es ist anzunehmen, dass dieser Fixpunkt regelmäßig nass wird (Wasser wirkt als Elektrolyt!)
– die verwendete Mutter hat nicht die richtige Stärke (diese hat ca. nur 3-4mm)
– das Gewinde steht viel zu wenig über die Mutter hinaus (sollten 3-4mm sein, oder 2-3 Gewindedrehungen)
Fazit: Dieser Fixpunkt wird sehr wahrscheinlich nicht die Norm Kräfte der EN 959 Norm aushalten (15kn axial, 20kN radial). Fraglich ist auch, ob ein solcher Sicherungspunkt nicht sofort getauscht gehört, da er wohl die Sorgfaltspflicht des Klettergartenhalters verletzt.
Mehr ist gar nicht besser!
Ein weiterer Einbohrfail Klassiker ist ein viel zu großer Ausstand a.k.a. „Überstand“ bei Bohrhaken.
Wie hier von Marcel Dettling dokumentiert. Der Haken steckt in Arco im Klettergarten „Terra Promesa“. Wie unsere Überschrift es bereits vorweg nimmt, ist hier „mehr“ an Überstand des Bohrhakengewindes gar nicht gut.
Wie es richtig geht wird hier erklärt: Bohrhaken setzen
Facts:
– dieser Bohrhaken hat viel, zu viel Überstand
– anstatt ca. 4-5mm steht das Gewinde ca. 3-4cm raus
– es ist anzunehmen, das der Bohrhaken zu viel „Schlupf“ entwickelt hat
– Ursache Wahrscheinlichkeit 1: zu weicher Fels --> man hätte hier Klebehaken nehmen müssen
– Ursache Wahrscheinlichkeit 2: zu hoher Drehmoment?
– Ursache Möglichkeit 3: sollte hier tatsächlich viel zu wenig tief gebohrt worden sein?!?!
– es ist erhebliche Verletzungsgefahr durch die scharfen Ränder des Gewindes gegeben
– gefährliche Querbelastung des hakenseitigen Karabiners durch „Einklemmen“ möglich
Fazit: An dieser Stelle wäre es wohl nötig gewesen, einen Klebehaken zu setzen. Wieso der Erschließer den Bolt nicht zumindest versenkt und einen neuen gesetzt hat bleibt ein Rätsel.
Ohhhh boy!
Unser letztes Einbohr Fail Bild kommt von Felix Oehl und stammt vom Rotgrat an der Weissmies im Wallis.
Hierbei handelt es sich um einen anscheinend erst kürzlich (ganz neues, glänzendes Material) eingerichteten Fixpunkt. Leider ist das Bild selbsterklärend.
Man sollte als Erschließer sich etwas „umsehen“ wenn man einen Fixpunkt setzt. In diesem Fall wäre wohl ein überklettern des brüchigen Felsabschnittes die sicherste aller Entscheidungen gewesen.
Facts:
– Fixpunkt in potentiell lockeren Block zu setzen ist definitiv keine gute Idee
– der Bohrhaken sitzt auch viel zu nah an der Kante („Prinzip Ausrisskegel“)
Fazit: Diese Stelle zu überklettern oder einfach eine Schlinge zu legen wäre hier die viel besser und auch sichere Option!
Unsere Einbohr Kurse und Workshops
Die hier angeführten Einbohr Fails sind zum großteils auf das fehlen eines fundierten Wissens zurück zu führen. Deswegen haben wir uns mit der bolting.eu Academy zum Ziel gesetzt, den Know-How Stand in der Community durch hochwertige Workshops und Einbohr Kurse zu verbessern.
Wir haben bereits viele Weiterbildungen abgehalten, wie z.B.
- steirischen Bergführerverband
- Naturfreunde Österreich
- Canyoningguides Allgäu
- Petzl Athleten Team Deutschland
- „Tiroliners“ Slackline Verein Tirol
- usw…
Hier geht es zur bolting.eu Academy
Wir bieten neben 3-Stunden bzw. Halbtages Workshops spezifische Einbohrkurse wie einen 2 1/2 tägigen Grundkurs, einen einwöchigen Einbohr Trip 2022 nach Buzet in Istrien / CRO oder auch eine Baustellenbegleitung für alpine Vereine die ihr lokales Team im Rahmen einer Erschließung / Sanierung einschulen wollen.
Bild rechts: Workshop für Petzl Deutschland / Bild Copyright: Julian Bückers